Rezension: „Fuzz“

Von Cornelia Hellmuth, 2014

Zwei Jahre nach ihrem schönen Akustik-Debütalbum „Yesterday’s Snow“ erschien 2012 endlich der Nachfolger „Fuzz“ der sympathischen Akustik-Kombo aus Südhessen. Musikalisch geht die Band mit „Fuzz“ teilweise neue Wege. Es handelt sich bei dem zweiten Langspieler nicht um eine reine Akustikscheibe, auch elektronische Einflüsse zeigen sie von einer weiteren Seite. Ebenso haben Swingelemente Einzug gefunden. Wie schon bei seinem Vorgänger, ist es möglich das neue Album über Amazon zu erwerben, wodurch mehr Menschen mit dieser sympathischen Kombo in Berührung kommen können.

Mental Reservation arbeiten auf ihrem neuen Album mit einigen Songs, die lyrisch einen Widerspruch zu der musikalischen Stimmung darstellen. Dies fällt bereits beim Opener auf, der ganz einfach mit „Y“ betitelt ist. Der Song beginnt leicht und fröhlich, auch die Anfangsworte „Hey, this is amazing“ lassen nichts Schwerfälliges vermuten. Letztendlich handelt der Song jedoch von Abschied. Der Erzähler scheint sich allerdings bereits mit der Situation abgefunden zu haben, obwohl hier und da noch ein bisschen Wehmut mitschwingt. Das spiegelt sich auch in den Zeilen „Why it’s so hard to let go but it’s alright“ und „Still we know that we will never ever win“ wieder.

Teilweise geht es selbstverständlich auch bei Mental Reservation um das beliebte Thema der Liebe. So geht es um Frauen, die so schön sind, dass sie nicht von dieser Welt sein können („My Alien“) und Frauen, die so besonders sind, dass sie einen normalen Typen doch niemals wahrnehmen würden („Good Looking“).

Wie bereits erwähnt, hat sich die Band von einer reinen, recht ruhigen, Akustik-Kombo zu einer vielschichtigeren Band weiterentwickelt. Die bei „Fuzz“ vorhandenen Akustikstücke klingen meist amerikanisch, sowohl musikalisch als
auch textlich. So handelt „Wasting Time“ von einem Road Trip, davon mit dem Auto einfach fortzufahren und zu sehen, wohin es einen führt. Die Assoziation von diversen amerikanischen Filmen mit Teenagern, die an einem sonnigen Tag in ein Auto steigen, lässt sich nicht vermeiden. „Good Looking“ weist zu Beginn einen Country-Touch auf und „Big Town“ könnte rein musikalisch auch von der berühmten US-amerikanischen Band „Wheezer“ stammen.

Auch die melancholischen und leicht depressiven Songs dürfen diesmal nicht fehlen. Diese beinhalten jedoch oft eine positive Botschaft. So erinnert „198“ an das Gefühl einer Winterdepression. Jedoch wird dem Zuhörer am Ende mitgeteilt, dass man selbst die ganzen Jahre nicht nur zugucken braucht, wie sich alle anderen um einen herum verwirklichen und weiterentwickeln, sondern dass es einem auch selbst gelingen kann seine Träume wahr werden zu
lassen.

„The Ancient Dawn“ hat beispielsweise die Botschaft, dass manche Tage vielleicht grau sind, aber man nie vergessen sollte, dass es morgen schon wieder ganz anders aussehen könnte. Bei „The Sleeping Years“ geht es schlussendlich darum, dass die Jahre so schnell vergehen und, wenn man darüber nachdenkt, gar nicht weiß, was man all die Jahre eigentlich gemacht hat und dieser tranceartigen Zustand doch hinter sich gelassen werden sollte. Der Song endet ruhiger und zum Ende hin erfolgt ein letztes „Me, I’m not the one“, was an den Titelsong einer Sitcom erinnern
könnte.

Einer der stärksten Songs des Albums ist „While The Fire Burns The Planet Turns“. Dieser Song scheint einer Person gewidmet zu sein, die unsere Welt bereits verlassen musste. Der Titel ist unheimlich ruhig und verletzlich und trifft damit mitten ins Herz, nicht allein durch den Refrain. Dieser besteht zwar nur aus ein paar wenigen sich wiederholenden Worten, brennt sich dadurch jedoch umso mehr ein. Es geht inhaltlich auch darum, dass diese Person so viel nicht mehr miterleben wird können, aber das Leben geht weiter. Diese Botschaft trägt schon der Titel inne. Der Schmerz besteht zwar ebenso weiter, aber der Planet dreht sich schließlich unaufhörlich.
Im Lied gibt es eine instrumental sehr schön arrangierte Steigerung, bevor der Song wieder ins Verletzliche fällt und so ausklingt.

Ein weiterer starker Titel folgt im Anschluss als Schlusslicht des Albums und stellt die eigentlich größte Überraschung des aktuellen Werkes dar, er sticht deutlich heraus. „Aberration“ ist instrumental unheimlich dominierend und stark umgesetzt, der Gesang und Text, sofern er auftaucht, tritt in den Hintergrund. Diesen Song hätte wohl kaum jemand, nicht einmal die treuen Anhänger von Mental Reservation selbst, erwartet. Er erinnert als Interpretation von Musik und Text im Zusammenhang an einen Drogenrausch.

Im direkten Vergleich zu „Yesterday’s snow“ fällt allerdings auf, dass dieses weitaus harmonischer war und zu einer richtigen Einheit verschmolzen ist. Dies ist bei „Fuzz“ durch die Experementierfreude der Band bedauerlicherweise etwas auf der Strecke geblieben. Auch fehlt es den neuen Stücken zum Teil an lyrischem Einfallsreichtum, gesanglicher Innovation und musikalischem Spannungsbogen.

Es ist davon auszugehen, dass die neuen Songs live gespielt weitaus mehr überzeugen und es bleibt zu hoffen, dass der dritte Longplayer die Vorzüge seiner beiden Vorgänger vereinen kann.

Wir danken Dir, Conny.